Ich muss wohl ein Trendsetter sein. Als ich vor fünfeinhalb Jahren auf die Suche nach einem Vater ging, gab es noch kein Wort dafür. Oder vielleicht doch eines, dass ich allerorten hörte: Wahnsinn! Heute heißt es Co-Parenting und scheint einen schmalen Weg in die Gesellschaft zu finden. Ich vermute, ich verstehe das Wort nur deswegen auf Anhieb, weil ich mich mit dem Konzept dahinter zwangsläufig so viel beschäftigt habe.
Alleinerziehend: Trendsetter-Mutter
Wir sind eine Familie: eine stolze Frau von 32 Jahren, ein Teenager auf der Suche nach der richtigen Rolle und ein vierjähriges, ungezähmtes Gemüt.
Mein Großkind war eine Überraschung, die mich ereilte, als ich noch zur Schule ging. Ich war nicht besonders helle oder reflektiert damals, deswegen hatte ich keine Angst vor dem, was auf mich zukommen würde. Daher konnte ich genau das: drauflos leben und abwarten, was passiert. Im Rückblick keine schlechte Sache. Der Mann war keine gute Wahl und wollte das Kind nicht, hatte aber nicht einmal den Mut, das zu sagen. Deshalb war es für uns eigentlich ein großes Glück, dass wir kaum einem Jahr nach der Geburt in ein neues Leben aufbrachen. Ich schloss die Schule ab und orientierte mich erst einmal: Wer will ich sein und wo will ich hin? Mein Mädchen immer dabei, ein ganz liebes, an der Uni, auf Reisen, Spaziergänge, Spielplätze, Kino. Ein Traum. Sie wuchs und ich wurde.
Gegen Ende des Studiums fühlte ich, wie die Leere auf mich zurollte. Ich hatte die ganze Zeit Verantwortung für einen anderen Menschen getragen, also war ich im Eilschritt durch das Studium gerast. Immer was zu tun, ich wusste ja wofür. Party war noch nie mein Ding und ich pflege eine preußische Arbeitsethik: Lieber jetzt erledigen als später. Es ging uns gut, wir waren unschlagbar. Eines Tag — ich weiß wirklich nicht, woher — spürte ich den Wunsch nach einem weiteren Kind. Auf einmal sah ich nur noch Schwangere, wo ich auch war, oder junge Mütter mit diesem seligen Glanz in den Augen, der in Wirklichkeit wahrscheinlich Müdigkeit war. Mein Kind war einverstanden bis begeistert. Ich wollte ein Baby!
Kein Mann weit und breit, der geeignet schien.
Ich war Mitte 20 und die Gleichaltrigen noch in ganz anderen Sphären. Ich weiß nicht mehr, wie ich dann darauf kam, aber im Internet stieß ich auf ein Forum, in dem sich Menschen zusammentun konnten, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Eine große Mehrheit der Männer schien irgendeinen Hau wegzuhaben, viele eine Art von Größenwahn, der ihnen flüsterte, sie müssten sich möglichst oft reproduzieren. Andere legten wohl mehr Wert auf den Akt als auf die Zeugung. Vom Rest der Männer wollte auch nur ein kleiner Teil eine Art Familie aufbauen. Ich hatte mich schon mit einigen getroffen, bis mich einer ansprach, mit dem ich in vielerlei Hinsicht auf einer Wellenlänge zu sein schien.
Wir schrieben uns Nachrichten und Mails, telefonierten viel und trafen uns schließlich. Nicht alle unsere Vorstellungen stimmten überein, aber wir wollten es versuchen: Das Kind sollte bei mir leben, er am Wochenende und gelegentlich aus der großen Stadt dazu kommen, dazwischen enger Kontakt. Zwischen uns beiden aber nur freundschaftliche Absprachen, keine Beziehung, Co-Parenting eben. Als wir uns etwa vier Monate kannten, starteten wir den ersten Versuch; weil wir nicht prüde sind und das die Chancen steigert, war klar, dass wir keinen Becher wollten. Ein Akt der Liebe, nicht der unsrigen, sondern der zum Kind.
Bingo! Der Frühtest zeigte eine Linie, die so zart war, dass ich fürchtete, ich bildete sie mir nur ein. Diejenige unter meinen besten Freundinnen, die ich zuerst anrief, war entsetzt. Wahrscheinlich hatten sie gehofft, aus der in ihren Augen spinnerten Idee würde einfach nichts, wenn sie sie mir trotz aller Anstrengungen schon nicht ausreden konnten. Ihre Vorstellung vom Leben war schon immer da und bei allen gleich: Abi, Lehre oder Studium, Arbeiten. Einen Freund haben, nach ein paar Jahren zusammenziehen, noch einige Jahre darauf heiraten, ein Haus kaufen und dann kann irgendwann das Kind kommen. Als sei es eine naturgegeben Ordnung mit festgeschriebenen Fristen. Ich war so noch nie. Was “man” macht — mir doch egal!
Nein, so leichtfertig und verantwortungslos, wie es hier in diesem einen Satz wahrscheinlich klingt, bin ich es nicht angegangen. Aber Zweifel gibt es genug in der Welt, ebenso viele Gründe sprechen gegen ein Kind in jeder Lebenslage. Ich wollte es trotzdem und habe es keine Sekunde bereut. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, wie mein Leben ohne ein weiteres Kind weitergehen sollte. Total verrückt und bestimmt egoistisch. Aber es fasse sich bitte jeder an seine eigene Nase: Einen nicht-egoistischen Grund für ein Kind gibt es nicht. Zu viele Entbehrungen bringt es mit sich und es kann ja nicht selbst darum bitten, geboren zu werden.
Ich war also 27 und hatte also ein gesundes, glückliches Kind von acht Jahren, das Studium abgeschlossen, alte und neue Freunde, unschätzbar wertvoll trotz ihres Unverständnisses, und war schwanger. Nie war ich glücklicher als zu dieser Zeit, wie in einer prallen Blase taumelnder Glückseligkeit.
Der Co-Parent Partner, oder kurz: der Griff ins Klo
Und dann kam mein Co-Parent mit einer dicken Nadel und brachte sie zum Platzen. Genauer gesagt musste ich feststellen, dass viele Dinge nicht ganz so rosig waren, wie er sie dargestellt hatte: Der Job war nur vorübergehend, sein Menschenbild weniger positiv, eher gleichgültig – überhaupt der ganze Kerl: ein manipulativer Narziss, also doch wie so viele andere im Forum. Intelligent, ja, aber menschlich ein Griff ins Klo. Noch während der Schwangerschaft kriselte es. Es gab viele zähe und sinnlose Auseinandersetzungen. Schließlich warf er alle Vereinbarungen über Bord und zog sich nach und nach zurück. Das Kind war ein Vierteljahr alt, als wir ihn zum letzten Mal sahen. Definitiv sein Verlust!
Das wäre der richtige Zeitpunkt für die Skeptiker gewesen, mit Fingern auf mich zu zeigen: “Haben wir dir doch gesagt, das konnte ja nichts werden.” Hat aber keiner getan. Nicht nur aus Anstand, behaupte ich, sondern weil jeder selbst weiß, dass auch im klassischen Modell das “bis dass der Tod Euch scheidet” nur eine Floskel ist. Zwischenmenschlich scheitern kann man gut in allen Formen, auch nach Jahren noch.
Alleinerziehende Mutter mit wildem Haufen
Wir sind jetzt zu dritt, ein wilder Haufen, den als unkonventionell zu bezeichnen, eine himmelschreiende Untertreibung wäre. Meine Älteste ist groß und schön, schlau und stark, selbstbewusst und eigenständig. Mein Mini mischt den Kindergarten auf und hat gute Chancen, mir eines Tages den letzten Nerv zu rauben. Die beiden sind wie Tag und Nacht, zwei zauberhafte Persönlichkeiten mit Brüchen und Schatten, mit Träumen und Tiefen. Und ich darf dabei sein. Ich bin keine Übermutter mit Rüschenschürze und Sonntagskuchen. Ich arbeite gern und viel und habe gut damit zu tun, unseren Alltag und Broterwerb zu managen. Aber ich kann mir nichts anderes und keine schönere Version meines Lebens vorstellen. Nichts wäre besser, allenfalls ruhiger, also langweilig. Diese Kinder sind meine Erfüllung. Achtung, Schmalzalarm: Oft sehe ich sie mir an, wie sie schlafen, schwatzen, streiten oder sich doof finden und weiß einfach nichts sonst in der Welt, das so kostbar ist.