Der neue Freund von dem Vater meiner Tochter
Plötzlich ist er da, der neue Freund vom Vater meiner Tochter. Ich hatte gedacht, das würde sowieso nie passieren, der Herr in meinem Haushalt sei, bei all seinen Verabredungen, letztendlich doch beziehungsunfähig, niemand würde sich je auf jemanden einlassen, der sich von Fleischbrühe, sauren Gurken und Mayonnaise ernährte. Und dann stelle ich fest, dass ich falsch gelegen habe. Das stelle ich fest, als ich eines Sonntagmorgens um halb zehn erwache, mich das erste Mal in meinem Bett bewusst lang ausstrecke und die Wohnung so still ist, als gäbe es draußen vor der Tür eine Kirmes. Ich stelle das auch fest, als ich einen Tee kochen will und im Schrank keine saubere Tasse mehr aufzufinden ist, weil der neue Freund von dem Vater meiner Tochter seinen dreijährigen Sohn mitgebracht hat. Oder ich stelle das fest, als ich in einem feuchten Zelt von dem Ruf eines Habichts geweckt werde und mein erster Blick auf einen menschenleeren See trifft, obwohl ich eigentlich jemand bin, der sich die Haare föhnt und Internet mag. Der andere ist da. Ob ich das will oder nicht. Und auch er äußert Bedürfnisse. Campen zum Beispiel. Nach dem anfänglichen Herzlich Willkommen knirscht der Spagat da und dort. Das Gefüge wackelt, ein Zahnrad klemmt, es ächzt und es wird auch schon mal lauter als üblich. Das ist nicht immer leicht. Bis ein Tropfen Öl gefunden wird, kann es auch mal etwas dauern. Manchmal ist die Ölkanne versteckt. Wir suchen dann erstmal jeder für sich, irgendwann alle zusammen. Aber wenn es wieder läuft, dann läuft es und dann sind wir manchmal mehr und manchmal weniger und eigentlich ist das beides ganz schön so. Es schwankt zwischen alleinerziehend in Teilzeit und Großfamilie. Mit aufräumen, als Single abends allein auf dem Sofa sitzen, Freiheit und Einsamkeit und der Freude darüber, dass hin und wieder sich alle zusammen miteinander zuhause fühlen. Manchmal muss ich dafür in einem Zelt schlafen.
Einmal kam der Bruder und seine neue Freundin von dem neuen Freund von dem Vater meiner Tochter zu Besuch, da wurde es schon fast für mich selbst verwirrend, wer nun eigentlich alles ein Weihnachtsgeschenk von wem bekommen soll. Nicht zu vergessen sind auch die beiden Mütter von dem Sohn von dem neuen Freund von dem Vater meiner Tochter. Die Familienfotos jedenfalls werden breiter und breiter und auch die Definition von dem, was wir Familie nennen, bekommt aufgeweichte Ränder. Sollten noch Cousins und Tanten dazu kommen, müssten wir notfalls ein weiteres Foto mit Tesafilm daneben kleben.