Bernadette Breunig ist Projektmitarbeiterin in der Theologischen Ethik an der Universität Salzburg. Zusammen mit Frau Professor Walser hat sie ein wissenschaftliches Brennglas auf die Co-Elternschaft gelegt: Sie führte eine qualitative Studie durch.
Bernadette Breunig ist Projektmitarbeiterin in der Theologischen Ethik an der Universität Salzburg. Zusammen mit Frau Professor Walser hat sie ein wissenschaftliches Brennglas auf die Co-Elternschaft gelegt: Sie führte eine qualitative Studie durch.
Frau Breunig, was bewegt Sie als theologische Ethikerin, die Co-Elternschaft zu untersuchen?
Für mich liegt eine wichtige Aufgabe der theologischen Ethik darin, dass sie die Lebensrealität von Menschen wahrnimmt und reflektiert. Familie und Elternschaft ist heutzutage weit vielfältiger und bunter, als es in der theologischen Ethik wahrgenommen wird und daher fand ich es spannend, mit Co-Elternschaft ein alternatives Familienmodell einmal näher unter die Lupe zu nehmen.
Was sagt die katholische Kirche zu einer solchen alternativen Familienform?
Für die katholische Kirche ist das moralische Ideal nach wie vor die Familie, die von einem verheirateten heterosexuellen Paar gegründet wird. An diesem Idealbild werden andere alternative Familienformen gemessen. In den letzten Jahren unter Papst Franziskus wurde versucht, mehr die positiven Aspekte in anderen Familienformen zu würdigen, ohne freilich das Ideal der „heiligen katholischen Familie“ aufzugeben. Letztlich werden alternative Familienformen wie Co-Elternschaft oder Regenbogenfamilien leider durch die katholische Kirche immer noch zu wenig anerkannt und wertgeschätzt.
Wen haben Sie erwartet bei Familyship für Ihre Untersuchungen zu treffen?
Ich war zunächst einmal gespannt, ob sich überhaupt Frauen und Männer auf familyship.org finden lassen, die bereit sind, sich auf ein Interview mit einer katholischen Theologin einzulassen! Angesichts der negativen Schlagzeilen über die katholische Kirche und deren Umgang mit pluralen Lebensformen hatte ich da so meine Bedenken. Bei denjenigen, die sich trotzdem von mir interviewen lassen, habe ich erwartet, dass diese ihre Entscheidungen für Co-Parenting gut durchdacht haben und grundsätzlich offen für ethische Fragen sind. Darüber hinaus habe ich vermutet, dass Co-Elternschaft vor allem für homosexuelle Menschen mit Kinderwunsch eine Option ist, was durch die Interviews jedoch nicht bestätigt wurde …
Wurden Sie überrascht?
Ich war davon überrascht, dass Co-Elternschaft für viele heterosexuelle Frauen und Männer als Möglichkeit gesehen wird, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Viele hatten grundsätzlich zwar den Wunsch, in einer Partnerschaft ein Kind zu bekommen, aber der passende Partner bzw. die passende Partnerin hat dazu gefehlt. Auch werden – das wissen wir auch aus der soziologischen Forschung – Liebesbeziehungen von einigen als eher instabil gesehen und die Gefahr einer Trennung, die wiederum zu Lasten gemeinsamer Kinder gehen könnte, als recht hoch eingeschätzt. Da erscheint vielen eine Freundschaft als die stabilere Basis, um eine Familie zu gründen, was mich doch erstaunt hat.
Gibt es etwas, das sie abgeschreckt oder im Gegenteil, beeindruckt hat?
Beeindruckend fand ich bei einigen Interviewpartner*innen, wie reflektiert und planvoll sie an das Thema Co-Parenting herangegangen sind. Sie waren sich wirklich bewusst, was es bedeutet, ein Kind zu bekommen und die Verantwortung dafür zu tragen. Und das haben sie auch klar mit dem anderen Co-Elternteil abgesprochen.
Allerdings hatte ich auch ein Interview, bei dem ich den Eindruck hatte, dass genau diese Überlegungen gefehlt haben und auch keine Gespräche und Absprachen mit dem anderen Co-Elternteil geführt worden sind. Das fand ich doch bedenklich, weil eine offene und vertrauensvolle Kommunikation von Anfang an entscheidend ist, um Erwartungen offen zu legen und damit spätere Missverständnisse sowie Konflikten vorzubeugen. Hinzu kam in diesem Fall auch, dass der Interviewpartner eigentlich gar keine Co-Elternschaft von sich aus angestrebt hat, sondern als Samenspender (als solcher hatte er auch schon über 30 Kinder gezeugt) auf familyship.org die spätere Co-Mutter kontaktiert hatte. Mit dieser ist er zunächst eine kurze Liebesbeziehung eingegangen, hat sich von ihr dann aber nach der Geburt des Kindes getrennt. Auch wenn ich die Perspektive der Co-Mutter hier nicht kenne, war das für mich ein abschreckendes Beispiel, weil der Mann möglicherweise doch nur auf eine sexuelle Liebesbeziehung aus war und weniger daran interessiert war, für ein gemeinsames Kind zu sorgen.
Können Sie eine Empfehlung für Menschen mit Kinderwunsch ableiten, die noch ganz am Anfang stehen und sich für eine Co-Elternschaft interessieren?
Ich kann nur empfehlen, sich die eigenen Wünsche und Erwartungen klar zu machen und diese auch deutlich zu kommunizieren. Co-Elternschaft braucht für mich auch ganz deutliche Absprachen zu einigen grundlegenden Themen wie Finanzen, Aufgabenverteilung oder Wohnsituation.
Darüber hinaus finde ich gerade aus ethischer Sicht zentral, dass man sich genügend Zeit nimmt, um eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zum anderen Co-Elternteil aufbaut. Denn diese freundschaftliche Beziehung ist das Fundament, auf dem die Familie steht. Und in den folgenden Jahren und Jahrzehnten, in denen das gemeinsame Kind heranwächst, muss diese Freundschaft einiges an Belastungen und Konflikten standhalten können. Da lohnt es sich schon, ein wenig Zeit zu investieren und sich wirklich gut kennenzulernen!
Was war das wesentlichste Ergebnis Ihrer Studie?
Als ich in den Interviews nach den Wertvorstellungen zu Familie und Elternschaft gefragt habe, wurde mir deutlich, dass hier große Gemeinsamkeiten mit „katholischen“ Werten liegen. Die unbedingte Annahme und Liebe des Kindes, Verlässlichkeit, Vertrauen, Dauerhaftigkeit – all das verbinden auch viele Co-Eltern mit Familie. Die Elternliebe, nicht aber die romantische Liebe bildet bei Co-Elternschaft dann – das stellt auch die Soziologin Christine Wimbauer in ihren Untersuchungen fest – das Fundament der Familie.
Zugleich macht es aber auch nachdenklich, dass Liebesbeziehungen für einige gerade nicht mehr den verlässlichen und liebevollen Rahmen für eine Familie bieten können.
Hand aufs Herz: ist eine Co-Elternschaft moralisch zu vertreten?
Co-Elternschaft ist für mich aus moralischer Sicht dann vertretbar, wenn einige Voraussetzungen stimmen. Erstens müssen sich Co-Eltern bewusst sein, welche lebenslange Verantwortung ein Kind mit sich bringt. Durch ein gemeinsames Kind wird man dem anderen Co-Elternteil immer verbunden bleiben. Zweitens braucht es eine vertrauensvolle Beziehung zum anderen Co-Elternteil, die zunächst aufgebaut und dann auch mit Kind weiter gepflegt werden muss. Drittens sollten auch einige grundlegende Absprachen (Aufteilung der Care-Arbeit, Finanzen, Wohnsituation, Erziehungsstil etc.) getroffen und diese ggf. auch schriftlich festgehalten werden. Aus rechtlicher Sicht ist Co-Elternschaft heute im Prinzip vergleichbar wie die Situation bei unverheirateten Paaren mit Kind. Hier braucht es eine Regelung z.B. was das gemeinsame Sorgerecht angeht sowie bei der Wahl des Nachnamens. Dabei ist zu beachten, dass ein Kind den übrigens auch in den Kinderrechten garantierten Anspruch hat, beide Elternteile möglichst zu kennen und von ihnen betreut zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass idealerweise beide Co-Eltern das Sorgerecht haben. Unter diesen Voraussetzungen halte ich Co-Elternschaft für moralisch vertretbar, wenn auch aus theologisch-ethischer Sicht nicht unbedingt wünschenswert.